Rede von Herrn Bundesminister a. D. Dr. h. c. Dirk Niebel zur Verleihung der Rainer-Hildebrandt-Medaille 2018

14.12.2018

Rede von Herrn Bundesminister a. D. Dr. h. c. Dirk Niebel zur Verleihung der Rainer-Hildebrandt-Medaille an General Lucius D. Clay

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr verehrte Frau Präsidentin Hildebrandt,

lieber Herr Charles C. Clay und Angehörige,

sehr verehrte Frau stellvertretende Botschafterin Ms QUINVILLE,

Exzellenzen,

meine Herren Generale und Admirale,

liebe Antonia Rados,

sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, liebe Gäste!

Gerne bin ich Ihrer Bitte, liebe Frau Präsidentin Hildebrandt, nachgekommen, die Laudatio auf General Lucius D. Clay zu halten. An diesem geschichtsträchtigen Ort nur einen Steinwurf weit entfernt vom ehemaligen Übergang Checkpoint Charlie dürfen wir ihn als diesjährigen Empfänger der renommierten Dr. Rainer-Hildebrandt-Medaille ehren.

General Lucius Dubignon Clay ist bis heute als „Vater der Luftbrücke“ unvergessen.
Deren Beginn jährte sich am 25. Juni 2018 zum 70. Male.

Zum Zeitpunkt des Beginns der Luftbrücke war Lucius D. Clay 50 Jahre alt – stand also in der Mitte seines Lebens.

Das Licht der Welt hatte  er am 23. April 1898 in Marietta, Georgia erblickt. Das sechste Kind des Senators Alexander Stephens Clay besuchte die berühmte Militärakademie Westpoint. Anschließend begann Lucius D. Clay seine militärische Karriere in der stolzen Pioniertruppe des u.s.-amerikanischen Heeres, dem U.S. Army Corps of Engineers.

Meine Damen und Herren,
Pioniere gelten nicht nur als wagemutig und vielseitig, sondern auch als technologisch äußerst begabt. Nicht umsonst steht im englischen Sprachgebrauch der Begriff „Engineer“ sowohl für Ingenieur und Techniker als auch für Pionier. Zu den Fähigkeiten der Pioniere zählen unter anderem Festungs-, Feldlager- oder Brückenbau. Das in der NATO übliche taktische Zeichen für Pioniere zeigt sogar eine stilisierte Brücke.

Dass General Lucius D. Clay als „Luftbrückenbauer“in die Geschichte eingehen würde, hatte er sicherlich bis zum Juni 1948 nicht geahnt. Was aber außer Zweifel steht ist, dass er die notwendigen Qualifikationen dazu hatte. Als Pionier-Lehroffizier in Westpoint unterrichtete er in den 1920er und 30er Jahren unter anderem, wie Flugplätze anzulegen sind.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs stabilisierte er den französischen Hafen Cherbourg – einer der Knotenpunkte für die Alliierte Logistik und damit lebenswichtig für die Befreiung Europas von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.

Lucius D. Clay war aber auch in anderer Hinsicht ein Brückenbauer. Als Stellvertreter General Eisenhowers und späterer stellvertretender Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone setzte er sich sehr schnell für einen Wiederaufbau des ehemaligen Kriegsgegners Deutschland ein. Er erkannte früh, dass Europa sonst Gefahr lief, unter einer nächsten Diktatur zu leiden.

Diesen Kurs der Verständigung mit dem ehemaligen Kriegsgegner verfolgte er konsequent weiter, nachdem er am 15. März 1947 zum Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone und Befehlshaber der US-Landstreitkräfte in Europa ernannt wurde.

Nur wenige Monate später sollte Lucius D. Clay dann vor einer ungeheuerlichen Bewährungsprobe stehen.
Kurz nach Beginn der Währungsreform riegelte die UdSSR ab dem 24. Juni 1948 die Land- und Wasserverbindungen nach Westberlin ab. Somit konnten die Westalliierten ihre Standorte in der Enklave mitten in der Sowjetischen Besatzungszone nicht mehr versorgen.

Fest entschlossen, sich durch diese Erpressung nicht in die Knie zwingen zu lassen, befahl Lucius D. Clay einen Tag später die Errichtung der Luftbrücke. Und wiederum nur einen Tag später startete der erste Versorgungsflug.

Meine Damen und Herren,

als Reserveoffizier der Fallschirmjägertruppe bin ich es gewohnt, sogar funktionierende Flugzeuge möglichst noch in der Luft vor ihrer Landung zu verlassen. Piloten trauen daher Fallschirmjägern nicht unbedingt viel fliegerischen Sachverstand zu. Aber den Wagemut, das luftfahrerische Können und die logistische Leistung der Luftbrücken-Flieger in der „Operation Vittles“ muss man bis heute als herausragend bewerten.

Vom 25. Juni 1948 bis zum 30. September 1949 flogen vor allem die US-Amerikaner und Briten, aber auch Franzosen, Kanadier, Australier, Neuseeländer und Südafrikaner in 277.560 Flügen über 2,1 Millionen Tonnen Hilfsgüter in das von der Sowjetunion blockierte Berlin. Außerdem beförderten die im Volksmund rasch liebevoll als Rosinenbomber bezeichneten Flugzeuge 227.655 Passagiere.

Die Luftbrücke trug ohne Zweifel in hohem Maße zu der deutsch-amerikanischen Freundschaft bei, die bis heute wiederum einen der Grundpfeiler für die Freiheit Europas bildet. Lucius D. Clay gilt somit zu Recht als einer ihrer wichtigsten Begründer.

Nicht nur für die Berliner, sondern für alle Deutsche und auch für unsere amerikanischen Freunde personifiziert er bis heute geradezu Offenheit, Wagemut und Freiheitsliebe und ist bis heute in unser aller Gedächtnis.

Die deutsch-amerikanische Freundschaft hat viele Facetten:
Von persönlichen und familiären Bindungen über politische Partnerschaft und militärische Bündnistreue bis hin zu wirtschaftlicher und industrieller Kooperation. Das Technologieunternehmen Rheinmetall, für das ich heute tätig bin, arbeitet beispielsweise eng mit amerikanischen Unternehmen zusammen – etwa Raytheon oder Lockheed Martin, welches übrigens in Clays Geburtsstadt Marietta hochmoderne Flugzeuge fertigt. Unser Anspruch ist dabei klar: Wir wollen denjenigen die bestmögliche Ausrüstung zur Verfügung stellen, die täglich weltweit für unsere Freiheit und Sicherheit einstehen. Wir schützen die, die uns schützen.

Meine Damen und Herren, die deutsch-amerikanische Freundschaft wurde nicht nur durch die Luftbrücke selbst begründet, sondern auch durch viele kleine Gesten am Rande dieser fliegerischen und logistischen Großtat. Bis heute ist die „Operation Little Vittle“ legendär, begründet durch den U.S. Air Force-Piloten Colonel Gail „Hal“ Halvorsen. Dieser warf während seiner Rosinenbomber-Flüge Süßigkeiten an Mini-Fallschirmen für die Berliner Kinder ab – Sie ahnen, warum mir diese Aktion als Fallschirmjäger besonders sympathisch ist.

Doch ich erwähne sie auch aus einem anderen Grund. „Hal“ Halvorsen ist nämlich seit 2015 Träger der 1980 gestifteten Lucius D. Clay-Medaille. Mit ihr werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich um die deutsch-amerikanische Freundschaft verdient gemacht haben. Sie ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr der Architekt der Berliner Luftbrücke bis heute verehrt wird.

Ich freue mich daher sehr, dass wir heute General Lucius D. Clay posthum die Rainer-Hildebrandt-Medaille verleihen dürfen.
Ich freue mich weiterhin sehr, dass sie Charles Clay entgegen nimmt, der Enkel des Vaters der Luftbrücke. Und ich freue mich sehr, dass wir dies hier im Museum Haus am ehemaligen Checkpoint Charlie tun dürfen, welches nicht nur die Berliner Zeitgeschichte ausgezeichnet dokumentiert, sondern sich stets für Freiheit und Völkerverständigung eingesetzt hat und nach wie vor einsetzt.

Meine Damen und Herren!
Egal ob in politischer, militärischer, wirtschaftlicher und industrieller Dimension: Völkerverständigung und Freundschaft basieren immer darauf, aufeinander zuzugehen. Der Pionier Lucius D. Clay hatte stets den Mut dazu – getreu dem Motto des U.S. Army Corps of Engineers „Essayons – lasst es uns versuchen!“

Aus den ersten Schritten entstehen dann immer persönliche Kontakte und Verbindungen, die die weitere Basis für Völkerverständigung und Freundschaft bilden. Insofern, meine Damen und Herren, freue ich mich sehr über Ihre Teilnahme an diesem Festakt hier in Berlin. Uns allen wünsche ich noch eine schöne Veranstaltung und anregende Gespräche!

Mögen unsere Nationen stets in fester Freundschaft verbunden bleiben, egal wer gerade auf welcher Seite des Atlantiks regiert!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!